Ein Gerichtsbesuch der 9a
Am Dienstag, den 17. Dezember haben wir mit unserer Klasse und unserer GK Lehrerin Frau Geißel eine Gerichtsverhandlung im Amtsgericht Stuttgart besucht. Hierbei handelte es sich um ein Strafverfahren.
Wir haben uns vor dem Gericht getroffen und sind dann gemeinsam in den noch leeren Gerichtssaal gegangen. Kurz darauf betraten der Staatsanwalt, zwei Schöffen (ehrenamtliche Laienrichter, die mit ihrem Blick helfen sollen, ein gerechtes Urteil zu fällen) und der Verteidiger des Angeklagten den Raum. Ein wenig später wurde der 64-jährige Angeklagte in Handschellen von zwei Polizisten auf seinen Platz begleitet. Als der Richter den Raum betrat, erhoben wir uns alle, bis der Richter uns anwies, uns zu setzen. Zeugen waren noch keine im Raum, diese wurden nacheinander hereingerufen, um Auszusagen.
Die Verhandlung begann mit der Verlesung der Anklageschrift durch den Staatsanwalt. Er verlas 14 Straftaten – 13 von ihnen gab der Angeklagte ohne Widerspruch zu und zeigte Reue. Nur bei einer Tat bestand der Angeklagte darauf, dass die Ereignisse anders waren. Er gab zu, den Geldbeutel aus dem Einkaufswagen einer Frau geklaut zu haben. Dabei habe er aber keine Gewalt angewendet, sondern habe den Geldbeutel direkt zurück gegeben, als die Eigentümerin dies bemerkte. Der Staatsanwalt warf ihm jedoch vor, dass die Eigentümerin ihren Geldbeutel vom Angeklagten zurückverlangt hatte und es dann zu einem kurzen Gerangel zwischen ihr und dem Angeklagten kam. Beide zogen an dem Geldbeutel.
Es stellte sich heraus, dass es sehr wichtig war, herauszufinden, ob es ein Gerangel gegeben hatte oder nicht. Im einen Fall hätte der Beschuldigte durch das Ziehen am Geldbeutel Gewalt gegen die Frau angewandt, im anderen Fall nicht. Im einen Fall wäre die Tat daher (versuchter) Raub, im anderen nur (versuchter) Diebstahl.
Um herauszufinden, was wirklich passiert war, hat der Richter Beweise erhoben: erst wurde die Eigentümerin des Geldbeutels gebeten, die Ereignisse des Momentes zu schildern. Danach wurde noch ein weiterer Zeuge angehört. Beide berichteten von einem kurzen Gerangel um den Geldbeutel der Frau. Anschließend wurden Aufnahmen der Überwachungskameras des Supermarktes als weiterer Beweis abgespielt. Die Aussagen des Angeklagten wurden durch das Video ebenfalls widerlegt.
Zum Schluss der Verhandlung durfte jeder nochmal etwas sagen. Der Angeklagte bat um ein mildes Urteil, er sei schon 64 Jahre alt. Er sei schon oft im Gefängnis gewesen und wolle dort nicht sterben.
Als nächstes war der Staatsanwalt an der Reihe. Er beantragte eine Haft von 2 Jahren und 9 Monaten, wegen 14 Straftaten, darunter Computer Betrug, Diebstahl und versuchten Raubs.
Zuletzt ergriff der Verteidiger das Wort. Er rief in Erinnerung, dass der Angeklagte die Geldbörse nur kurz zurückgezogen habe. Das könne man kaum als Gewaltanwendung bezeichnen. Er hielt deshalb eine Gefängnisstrafe von nur 1 Jahr und 6 Monate für angemessen.
In einer anschließendem Pause besprach sich der Richter mit den beiden Schöffen. In dieser Pause durfte die Klasse dem Staatsanwalt und dem Verteidiger Fragen stellen.
Danach verkündete der Richter das Urteil, auf das sich die drei geeinigt hatten: Dem Angeklagten wurde eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten verhängt. Außerdem müsse der Angeklagte für die gesamten Kosten des Gerichtsprozesses aufkommen.
Von dem Urteil wirkte der Angeklagte enttäuscht. Er wurde wieder in Handschellen gelegt und von den beiden Polizisten abgeführt.
Wir finden es gut, dass jeder die Gerichtsverhandlungen besuchen kann. Sie sind deshalb öffentlich, damit die Bevölkerung kontrollieren kann, ob die Gesetze eingehalten werden kann und keine Rechtsbeugung passiert.
Außerdem ist es toll, ein Bild von einem Gerichtsprozess zu bekommen, da wir im Unterricht schon viel dazu erarbeitet haben.
Besonders beeindruckend fanden wir es, als der Anwalt persönlich aus seinem Berufsleben berichtete und individuelle Fragen beantwortete.
Das der Richter sich auch alle Argumente der beiden Seiten anhört, unterstreicht nochmal, dass in Deutschland jeder zu seinem Recht kommt.
Es war toll, dass wir so interessante Eindrücke vom Gericht sammeln konnten.
Von Luise Beck und Sophia Geiselhardt